Vorläufige Steuerfestsetzung im Hinblick auf anhängige Musterverfahren (§ 165 Abs. 1 AO); Ruhenlassen von außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren (§ 363 Abs. 2 AO); Aussetzung der Vollziehung (§ 361 AO, § 69 Abs. 2 FGO)
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit seinem Urteil vom 30. September 2010 - III R 39/08 - (BStBl 2011 II S. 11) Fragen zur inhaltlichen Bestimmtheit und zur Reichweite eines Vorläufigkeitsvermerks (§ 165 der Abgabenordnung - AO -) geklärt. Das Urteil wurde zum Anlass genommen, das BMF-Schreiben vom 1. April 2009 (BStBl I S. 510) zur vorläufigen Steuerfestsetzung im Hinblick auf anhängige Musterverfahren in einer aktualisierten Neufassung herauszugeben.
Da der BFH klargestellt hat, dass eine nach § 165 Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufige Steuerfestsetzung auch dann geändert werden kann, wenn das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) oder der BFH eine Norm verfassungskonform auslegt, besteht kein Anlass mehr, die Vorläufigkeitsvermerke grundsätzlich auch auf Nummer 4 des § 165 Absatz 1 Satz 2 AO zu stützen. Die Rechtsposition der Steuerpflichtigen wird hierdurch nicht verschlechtert. Unabhängig davon, ob die Vorläufigkeitsvermerke nur auf die Nummer 3 oder zusätzlich auf die Nummer 4 des § 165 Absatz 1 Satz 2 AO gestützt wurden, werden nämlich die Finanzämter vorläufige Steuerbescheide ändern, wenn das BVerfG oder der BFH die von dem Vorläufigkeitsvermerk erfasste Rechtsnorm entgegen der bisherigen Verwaltungsauffassung verfassungskonform so auslegen sollte, dass die betreffende Norm mit höherrangigem Recht vereinbar ist und diese (verfassungskonforme) Auslegung zu einer Steuerminderung führt.
Der BFH hat ferner seine bisherige Rechtsprechung bekräftigt, wonach es nicht erforderlich ist, in den Vorläufigkeitsvermerken die Musterverfahren, die Anlass für die vorläufige Steuerfestsetzung sind, nach Gericht und Aktenzeichen zu bezeichnen. Die Finanzverwaltung wird daher auch künftig in den Vorläufigkeitsvermerken die einschlägigen Musterverfahren nicht benennen. Hierfür spricht auch, dass eine Zitierung der Gerichtsverfahren dahingehend verstanden werden könnte, dass hierdurch die Reichweite der Vorläufigkeitsvermerke bestimmt wird, mit der Folge, dass nur eine Entscheidung in einem zitierten Gerichtsverfahren später eine eventuelle Änderungsmöglichkeit nach § 165 Absatz 2 AO eröffnen würde.
Die PDF-Datei mit dem am 16. Mai 2011 veröffentlichten Text ist im Anhang beigefügt.
Auf die in der Anlage aufgeführten Vorläufigkeits-Sachverhalte wird besonders hingewiesen.
Volker