Durchbruch beim Schutz vor überlangen Gerichtsverfahren

#1 von Volker , 24.10.2011 18:19

Auf die am 14.10.2011 veröffentlichte Pressemitteilung des BMJ wird hingewiesen:

Volker


Zitat
Mit dem heutigen Bundesratsbeschluss ist der Weg frei für den neuen Rechtsschutz gegen überlange
Gerichtsverfahren. "Das neue Gesetz verhindert überlange Prozesse und bietet eine Entschädigung,
wenn es doch zu lange dauert", erläuterte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
die Neuregelung. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte seit vielen Jahren diese
Rechtsschutzlücke in Deutschland beanstandet. Seit zehn Jahren wurde immer wieder ergebnislos über
das Thema diskutiert, obwohl es mehrere Anläufe für eine Regelung gab.

Die Bundesjustizministerin hat daher unmittelbar nach Amtsantritt einen Gesetzentwurf auf den Weg
gebracht, der Betroffenen die Möglichkeit gibt, sich in zwei Stufen gegen überlange
Gerichtsverfahren und strafrechtliche Ermittlungsverfahren zu wehren. "Betroffene müssen immer erst
auf die drohende Verzögerung hinweisen, damit das Verfahren möglichst doch noch rechtzeitig
abgeschlossen wird. Erst wenn die Rüge erfolglos bleibt und es wirklich zu lange dauert, gibt es
auf der zweiten Stufe eine angemessene Entschädigung", sagte Leutheusser-Schnarrenberger.
Auf der ersten Stufe müssen die Betroffenen das Gericht, das nach ihrer Ansicht zu langsam
arbeitet, mit einer Rüge auf die Verzögerung hinweisen. Das hilft, überlange Verfahren von
vornherein zu vermeiden. Die Richter erhalten durch die Verzögerungsrüge die Möglichkeit, Abhilfe
zu schaffen. Das bedeutet: Man kann einem Verfahren nicht einfach seinen langen Lauf lassen und
später eine Entschädigung fordern.

Wenn sich das Verfahren trotz der Rüge weiter verzögert, kann auf der zweiten Stufe eine
Entschädigungsklage erhoben werden. In diesem Entschädigungsverfahren bekommen die betroffenen
Bürgerinnen und Bürger für die sog. immateriellen Nachteile – zum Beispiel für seelische und
körperliche Belastungen durch das lange Verfahren – als Regelbetrag 1200 Euro für jedes Jahr,
soweit eine Wiedergutmachung auf andere Weise nicht ausreichend ist. Neben dem Ausgleich für die
immateriellen Nachteile ist zusätzlich eine angemessene Entschädigung für materielle Nachteile
vorgesehen, etwa wenn die unangemessene Verfahrensdauer zur Insolvenz eines Unternehmens führt.

Der neue Entschädigungsanspruch hängt nicht von einem Verschulden ab. Es kommt also nicht darauf
an, ob den Richtern ein Vorwurf zu machen ist. Neben der neuen Entschädigung sind zusätzlich – wie
bisher schon – Amtshaftungsansprüche denkbar, wenn die Verzögerung auf einer schuldhaften
Amtspflichtverletzung beruht. Dann kann umfassend Schadensersatz verlangt werden, etwa auch der
Ersatz von entgangenem Gewinn.

Der Schutz vor überlangen Verfahren wird positive Effekte für die Justiz insgesamt bringen. Wo
viele berechtigte Klagen wegen der Verfahrensdauer erfolgen, werden die Verantwortlichen über
Verbesserung bei Ausstattung, Geschäftsverteilung und Organisation nachdenken müssen. Das Gesetz
stärkt somit nicht nur den Rechtschutz vor deutschen Gerichten, sondern auch die deutschen Gerichte
selbst.

Heute hat der Bundesrat grünes Licht für das Gesetz gegeben. Die Regelung tritt am Tag nach der
Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft.


Volker  
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