WEG Schuldenaufnahme mit Mehrheitsbeschluss?

#1 von Vermieterheini1 , 10.05.2011 19:27

Frage:
1. Hat die WEG-Eigentümerversammlung die Beschlusskompetenz eine über viele Jahre absehbare Großreparatur über eine Schuldenaufnahme der WEG-Eigentümergemeinschaft zu finanzieren?
2. Wenn ja, mit welcher Mehrheit (einfacher, qualizizierter, doppelt qualifizierter Mehrheit)?

Hintergrund:
Die Balkone wurden immer wieder provisorisch geflickt. Die Bildung von Instandhaltungsrücklagen wurden auf einem Minimum gehalten - mit der Folge, dass bei 27 WE lediglich 50.000 € Rücklagen vorhanden sind. Seit der letzte Eigentümerversammlung ist Allen bekannt. dass die Sanierung der Balkone ca. 350.000 € kosten wird. Entsprechende Kostenvoranschläge habe alle WEG-Miteigentümer mit der Einladung zur Eigentümerversammlung letzes Frühjahr erhalten. Daraufhin wurde eine Sonderumlage von 50.000 € beschlossen, die im Laufe des laufenden Geschäftsjahres in monatlichen Raten gezahlt wird. Allen WEG-Miteigentümern ist also klar, dass am Geschäftsjahresende maximal 100.000 € "in der Kasse sind".
Die Mehrheit der Rücklagenbildungsdauerverhinderer will die fehlenden 250.000 € durch Schuldenaufnahme der WEG-Eigentümergemeinschaft finanzieren.

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Von Haus&Grund

#2 von Vermieterheini1 , 05.07.2011 20:56

Kreditaufnahme/Kontoüberziehung

Einführung
Nicht selten entstehen in der Verwalterpraxis Liquiditätsengpässe durch den Ausfall von Hausgeldzahlungen einzelner Wohnungseigentümer. Der Verwalter selbst ist weder zur Überziehung des Gemeinschaftskontos noch zu einer Kreditaufnahme für die Eigentümergemeinschaft berechtigt (BGH v. 28.4.1993, VIII ZR 109/92, NJW-RR 1993, 1227). Hierzu bedarf es vielmehr einer entsprechenden Ermächtigung durch die Wohnungseigentümer.


1 Kreditaufnahme
Langfristige Darlehen können nicht von der Gemeinschaft beschlossen werden. Ein entsprechender Beschluss ist unzweifelhaft anfechtbar. Ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht hingegen ein Mehrheitsbeschluss, der kurzfristige Liquiditätsengpässe vermeiden soll. Weitere Voraussetzung ist, dass der Kreditbetrag eine Summe nicht übersteigt, die das Dreifache der monatlichen Hausgeldzahlungen der Gesamtgemeinschaft beträgt (OLG Hamm v. 28.11.1991, 15 W 169/91, OLGZ 1992, 313). Ein Beschluss über die Finanzierung von Instandsetzungsmaßnahmen durch die Aufnahme von Fremddarlehen entspricht in aller Regel nicht ordnungsmäßiger Verwaltung (BayObLG v. 17.8.2005, 2Z BR 229/04, NJW-RR 2006, 20: Kreditvolumen von ca. 1,5 Mio. EUR). Eine Beschlussfassung zur generellen Kreditaufnahme bzw. Kontenüberziehung übersteigt unzweifelhaft die Beschlusskompetenz der Gemeinschaft und ist somit nichtig (BGH v. 20.9.2000, V ZB 58/99, NJW 2000, 3500), da Kreditaufnahme oder Kontenüberziehung stets mit einer Zinsbelastung und der Haftung der Eigentümergemeinschaft sowie der Teilhaftung der einzelnen Wohnungseigentümer gemäß § 10 Abs. 8 WEG für die Rückzahlung verbunden ist.

Wichtig
Selbst wenn die Eigentümergemeinschaft über eine entsprechende Haftungsfreistellung der einzelnen Wohnungseigentümer beschlossen hätte, würde sich an diesem Ergebnis nichts ändern. Denn zum einen haben die Wohnungseigentümer unabhängig hiervon anteilig für die Annuitätsraten aufzukommen und finanzieren diese über Umlagen bzw. Hausgeldzahlungen mit. Darüber hinaus bietet der auch mit der Eigentümergemeinschaft als solcher abgeschlossene Bankdarlehensvertrag ungeachtet der Haftungsfreistellung des Einzelnen im Innenverhältnis zur Gemeinschaft Rückgriffsmöglichkeiten auf die einzelnen Wohnungseigentümer. Denn gemäß § 10 Abs. 8 WEG unterliegen die Wohnungseigentümer einer Teilhaftung. Sie haften unmittelbar einem Gläubiger der Gemeinschaft anteilig entsprechend ihres Miteigentumsanteils für Verbindlichkeiten der Gemeinschaft.

Hinweis
Soweit (zusätzlicher) Finanzbedarf innerhalb einer Eigentümergemeinschaft nicht durch die monatlichen Hausgelder gedeckt werden kann und daher zwar eine Kreditaufnahme der Gemeinschaft nahe liegt, sollten sich Wohnungseigentümer und Verwalter dennoch grundsätzlich auf die Erhebung einer entsprechenden Sonderumlage beschränken. Grundsätzlich muss es den Wohnungseigentümern freigestellt sein, wie sie ihren Zahlungspflichten nachkommen. Für solvente Wohnungseigentümer stellt jegliche Zinsbelastung einen Nachteil dar. Soweit andererseits einzelne Wohnungseigentümer zur Leistung ihres Beitrags zur Sonderumlage Kreditmittel benötigen, sollte diesen freistehen, zu welchen Konditionen und vor allem bei welchem Kreditinstitut die Kreditaufnahme erfolgt.
Im Fall eigenmächtiger Kreditaufnahme durch den Verwalter ist der entsprechende Kreditvertrag bis zur Genehmigung der Eigentümergemeinschaft schwebend unwirksam (§ 177 Abs. 1 BGB). Bei Verweigerung der Genehmigung kann das Kreditinstitut den Verwalter gemäß § 179 Abs. 1 BGB auf Erfüllung oder Schadensersatz in Anspruch nehmen (BGH v. 28.4.1993, VIII ZR 109/92, NJW-RR 1993, 1227; OLG Hamm v. 10.2.1997, 15 W 197/96, ZMR 1997, 377). Unter den Voraussetzungen von §§ 670, 257 BGB kann wiederum der Verwalter entweder Freistellung von der Rückzahlungsforderung gegenüber dem Kreditinstitut oder aber Erstattung geleisteter Rückzahlungen von der Gemeinschaft sowie über § 10 Abs. 8 WEG anteilig unmittelbar von den einzelnen Wohnungseigentümern verlangen.


2 Kontoüberziehung
Ist der Verwalter Inhaber des Gemeinschaftskontos, so haftet er als Vertragspartner der Bank für die Fehlbeträge und ist auf einen Rückgriff auf die Wohnungseigentümergemeinschaft sowie die auf die einzelnen Wohnungseigentümer gemäß § 10 Abs. 8 WEG im Innenverhältnis angewiesen. Wird der Verwalter von dem Kreditinstitut in Anspruch genommen, hat er unverzüglich die Eigentümergemeinschaft in Verzug zu setzen, sodass er nicht eventueller Schadensersatzansprüche gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft bzw. die einzelnen Wohnungseigentümer wegen der weiter auflaufenden Zinsen verlustig geht.
Ist hingegen die Wohnungseigentümergemeinschaft Kontoinhaberin, so haftet sie gemäß § 10 Abs. 6 WEG für die Fehlbeträge, auch wenn die Kontoüberziehung letztlich in vollmachtslosem Handeln des Verwalters begründet ist. Auch für diese Verbindlichkeiten haften wiederum die einzelnen Wohnungseigentümer unmittelbar dem Kreditinstitut gegenüber anteilig in Höhe ihres Miteigentumsanteils (§ 10 Abs. 8 WEG).

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RE: Von Haus&Grund

#3 von Volker , 06.07.2011 13:59

Hallo Vermeiterheini,

danke für die Ergänzung deines ursprünglichen Beitrags.

Ähnlich auch die Information der Hausbank München:

Zitat
Kredite und Darlehen
für Wohnungseigentümergemeinschaften
Bis zur rechtskräftigen gerichtlichen Ungültigkeitserklärung gemäß § 43 Abs.1 Nr. 4 WEG ist ein Beschluss über den Abschluss eines Darlehensvertrages gültig. Der Antrag auf eine solche Entscheidung kann nur binnen eines Monats nach der Beschlussfassung gestellt werden (§ 23 Abs.4 WEG).

Nach Ablauf der Monatsfrist wird der Beschluss bestandskräftig. Dann kann ein Mangel des Beschlusses nicht mehr geltend gemacht werden. Die Rechtsverbindlichkeit des Beschlusses ist danach für sämtliche Wohnungseigentümer gemäß § 10 Abs. 4 WEG, deren Sondernachfolger nach § 10 Abs. 3 WEG und den Verwalter gegeben.

Für das Gewähren von Hausbank- und Fördermittel-Darlehen müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
Für die zu finanzierende Maßnahme muss ein Beschluss der Wohnungseigentümer vorliegen, sofern über diese nach dem WEG durch Beschluss entschieden werden kann.
Der Beschluss muss bestandskräftig sein.
Die Laufzeit des Darlehens soll nicht länger als 5 Jahre, im Falle einer KfW-Finanzierung nicht länger als 10 Jahre sein.
Die Darlehenssumme soll TEUR 250 nicht übersteigen.
Die Rückzahlung des Darlehens ist durch die Aufnahme einer entsprechenden Position im Wirtschaftsplan sicher zu stellen.
Die Verwalterbestellung muss zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung noch mindestens 2 Jahre fortbestehen.
Die zu finanzierende Maßnahme muss mindestens zu 20 % aus der Instandhaltungsrücklage beglichen werden. Alternativ kann derselbe Betrag auch als Sicherheit für das Darlehen abgetreten werden, wenn mehr als 80 % finanziert werden sollen.


Für die Prüfung der Kapitaldienstfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft können nicht die ansonsten üblichen Unterlagen zur Verfügung gestellt werden. Deshalb sind zum Feststellen der Zahlungsmoral der Wohnungseigentümer und des Zustands der Immobilie folgende Unterlagen einzureichen (bei jeder Änderung in der Zusammensetzung der Eigentümer ist eine aktualisierte Auflistung der Eigentümer bei uns einzureichen):


Auflistung der Zahlungsrückstände der Wohnungseigentümer in den letzten 3 Jahren.
Auflistung der durchgeführten sowie der notwendigen, aber nicht beschlossenen Sanierungsmaßnahmen der letzten 5 Jahre.
Aufstellung der in den nächsten 10 Jahren geplanten Instandsetzungsmaßnahmen.
Das Verwaltungs- und Rücklagenkonto der Wohnungseigentümergemeinschaft ist bei der Hausbank München zu führen.



Ich selbst kenne aus der Praxis auch nur den Vorsorge-Beschluss zur Kontoüberziehung für einen bestimmten Betrag. Die Frage der Kontoüberziehung stellt sich nach der BGH-Entscheidung zur Darstellung der Instandhaltungsrücklage immer häufiger. Die monatlich von den Eigentümern gezahlten Beiträge für die Instandhaltungsrücklage sind zweckgebunden und dürfen daher auch nicht kurzfristig für andere Verpflichtungen verwendet werden.

Es ist zu empfehlen, bei der Jahresabrechnung auf die unverzügliche Weiterleitung der Hausgeldanteile auf das meist als Festgeld geführte Konto für die Instandhaltungsrücklage zu achten.

Volker


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Schadenersatzansprüche einer Wohnungseigentümergemeinschaft gegen einen Mieter
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